„Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.“ (Demokrit). Dieses Zitat könnte die Überschrift der beruflichen Reise von Katrin sein. Denn Katrin hat den Sprung gewagt und ihre sichere Festanstellung gekündigt, um im Rahmen eines Praktikums bei der Whale and Dolphin Conservation in eine für sie neue Arbeitswelt reinzuschnuppern und damit ihrem Kindheitstraum ein Stück näher zu kommen. Und dieser Schritt hat sich sowas von gelohnt; Inzwischen ist Katrin fester Bestandteil von WDC und koordiniert dort die internationale Arbeit zum Thema Jagd auf Wale und Delfine in Japan. Warum dieser Job quasi wie geschneidert für sie ist, was sie auf ihrer Reise gelernt hat und wie sie Leuten rät, die ebenfalls das Gefühl haben in ihrem Job nicht ganz richtig zu sein hat sie uns in einem Interview verraten.
Katrin, wie würdest du deinen Weg kurz und knackig beschreiben?
In der Vergangenheit schien es mir eine Suche zu sein. Heute schaue ich zurück und stelle fest, dass ich immer meinen persönlichen Interessen und Werten gefolgt bin. Dass es sehr wohl einen roten Faden gab. Das war mir aber gar nicht so bewusst und es war auch nicht direkt zu erkennen, weil meine Jobs sehr unterschiedlich zueinander waren. Nicht zuletzt habe ich darüber aber ein sehr breites Skill-Set entwickeln können, ohne das ich vielleicht nicht da wäre, wo ich heute bin.
Was hast du gemacht, bevor du bei WDC gestartet bist
Ins Berufsleben gestartet bin ich bei einem japanischen Automobilzulieferer als eine Art Vertriebsassistenz. Kundensupport, Logistik, Supply Chain Management, von allem war etwas dabei. Danach war ich für ein halbes Jahr bei einem Start-up angestellt. Meine Aufgabe dort war es Amazon Japan als Markplatz für eigene Produkte zu erschließen. Als One-Woman-Show war ich dort mit vielerlei Aufgaben konfrontiert, mit denen ich zuvor noch keine Erfahrungen sammeln konnte. Zuletzt war ich mehrere Jahre bei einem Karrierenetzwerk angestellt. Einen Teil der Zeit als Customer Success Managerin, den anderen Teil als interne Wissens- und Prozessmanagerin.
Und als was arbeitest du jetzt, was genau sind deine Aufgaben?
Bei WDC koordiniere ich die internationale Arbeit zum Thema Jagd auf Wale und Delfine in Japan. Das beinhaltet das Monitoring japanischer Publikationen und Medienberichten zu dem Thema ebenso wie selbst Interviews zu geben oder Beiträge darüber zu veröffentlichen. Auch Kampagnenplanungen, Petitionsübergaben oder die Teilnahme an internationalen Konferenzen zum Meeres- und Artenschutz sind Teil meiner Aufgaben. Außerdem sind der internationale Austausch und die Abstimmung mit Wissenschaftler:innen, anderen NGOs oder Expert:innen extrem wichtig für eine koordinierte und effiziente Arbeit.
Hast du dir mit deinem jetzigen Job einen Kindheitstraum verwirklicht? Und woher kommt der starke Fokus auf Japan?
Als sehr junges Mädchen träumte ich bereits davon, eines Tages Wale zu erforschen. Seitdem ich denken kann, wollte ich Meeresbiologin werden und dieser Wunsch hielt sich bis in meine späte Teenager-Zeit. Ich gab ihn auf, aus Angst den Rest meines Lebens im Labor zu verbringen, denn die Idee seine Tage auf dem Meer zu verbringen und von Walen und Delfinen umgeben zu sein, ist in den meisten Fällen eben nur das: eine romantische Vorstellung. Ich konzentrierte mich also auf meine andere Leidenschaft: Japan. Ich verbrachte die 11. Klasse in einer japanischen Schule, lebte in einer Gastfamilie und entschied mich später Ostasienwissenschaften zu studieren. In meiner Abizeitung schrieb eine damalige Freundin einen humorvollen Beitrag darüber, wo sie mich in 10 Jahren sehen würde: angekettet an einem Walfang-Schiff mit einem Banner auf dem „Rettet die Wale“ steht. Ich habe das niemals ernsthaft angestrebt und hätte auch niemals geglaubt, dass sich mir ein Weg zu so einer Zukunft jemals auftun könnte. Aber wie Recht sie doch haben sollte.
Was war deine Hauptmotivation deine sichere Feststellung aufzugeben und ein Praktikum anzutreten?
Erst dachte ich es wäre nur die Unzufriedenheit über den aktuellen Job. Zu wenig Entwicklung meiner Fähigkeiten und der Karriere, zu viele strukturelle Probleme in der Firma. Ich sah mich anderweitig um. In einem Bewerbungsprozess für eine ähnliche Stelle bei der Konkurrenz bot man mir das doppelte Gehalt, viele tolle Benefits und ich dachte mir „Wow! Wie lächerlich viel Geld ich da verdienen würde. Welches Leben ich mit damit ermöglichen könnte. Absolut verlockend!“ Aber es folgte keine Euphorie, sondern vielmehr der Gedanke „Da machst du dann am Ende auch nur den selben Bumms. Nur eben für mehr Geld“ und mir war klar, dass es nicht das war, was ich suchte. Ich wusste ich muss kündigen, so oder so. Und ich dachte mir, wenn ich herausfinden wollen würde, ob es nicht doch noch irgendeine Tür zu dem Meerebiologinnen-Traum gibt, dann wäre jetzt der Zeitpunkt dafür. Ich hatte ein bisschen das Gefühl von „Jetzt oder nie“. Und ein Praktikum war für mich die ideale Möglichkeit verschiedene Jobs kennenzulernen, die es Rund um das Thema Forschung und Umweltschutz gibt. „Es muss doch etwas geben, zu dem mein Skill-Set passt“ dachte ich mir. Und so kam ich zu meinem Praktikum bei WDC.
Wann wusstest du, dass es Zeit ist den Move zu machen? Wie hast du dich darauf vorbereitet?
Ich habe die Entscheidung natürlich etwas vor mir hergeschoben. Einen sicheren Job und liebgewonnene Kollegen lässt man nicht leichtfertig hinter sich. Aber ich war schon sehr lange sehr unglücklich im Job. Es gab auch einige Vorfälle, die mein Vertrauen in meine Vorgesetzen und die Firma sehr beeinträchtigt hatten. Komischerweise drang zu dieser Zeit das Thema Wale und Delfine ohne für mich erkennbaren Zusammenhang wieder stärker in mein Bewusstsein. Da wurde mir klar, dass der Zeitpunkt da war. Das ich es jetzt einfach wissen musste.
Mir war wichtig mir im Vorfeld klarzumachen, was ich eigentlich möchte, welche Optionen es potenziell geben könnte. Ich schaute mir Studiengänge an, internationale Praktika, Jobangebote mit Bezug zum Umweltschutz und war ehrlich gesagt ziemlich lost. „Kann ich mir nicht leisten“, „ich erfülle die Kriterien nicht“, es war zunächst furchtbar erschlagend. Aber ich wusste auch, dass meistens heißer gekocht als gegessen wird und dass es bei einer NGO auch nicht nur Wissenschaftler:innen geben wird, sondern auch da vielerlei Profile und Fähigkeiten gebraucht werden müssen. Ich glaube ich habe einfach entschieden, optimistisch zu sein. Es braucht Mut die Kontrolle abzugeben und die Dinge einfach auf sich zu kommen zu lassen. Und nicht jeder hat das Privileg, sich diesen Mut leisten zu können. Ich empfinde es als großes Geschenk, dass mein Leben so verlaufen konnte, dass ich finanziell und auch sonst die Möglichkeiten dazu hatte, diesen Mut aufzubringen. Ich habe mich dann um das Praktikum bemüht und gleichzeitig gekündigt, ohne zu wissen, ob es mit dem Praktikum dann auch wirklich klappen würde. Aber ich dachte mir „Einen Job findet man immer. Vielleicht nicht direkt den Traum-Job, aber ich werde durchkommen, bis ich das gefunden habe, was ich wirklich will“.
Wie hast du dich nach der Kündigung gefühlt?
Erstmal schlecht. Die Kündigungs-Mail abzuschicken hat mich ganze 20 Minuten Überwindung gekostet. Man blickt den Reaktionen der Vorgesetzen und Kolleg:innen dann doch erstmal mit einem mulmigen Gefühl entgegen. Aber gleichzeitig habe ich mich auch wahnsinnig erleichtert gefühlt. Endlich hatte ich wieder selber das Steuer in der Hand. Ich würde selbst über meine berufliche Zukunft, meine Karriere und mein Glück entscheiden und nicht mehr auf die Versprechen anderer hoffen müssen. In der heutigen Arbeitswelt sind die Grenzen zwischen persönlich und beruflich manchmal so verschwommen, dass man schnell denkt der eigene Weggang müsste ein herber Verlust für die Firma sein, menschlich sowie fachlich. Aber spätestens nachdem die Abschiedstränchen getrocknet sind, geht alles seinen gewohnten Gang – mit oder ohne einen. Am Ende ist man eben nur Mitarbeiter:in, nichts Anderes. Und so ungern wir das auch hören wollen: wir sind in der Regel alle absolut ersetzbar. Und ich finde das ist auch völlig okay so. Hat man sich das erst einmal klar gemacht, fällt der Abschied deutlich leichter.
Was begeistert dich am meisten für deinen neuen Job?
Es fühlt sich zwar so an, als empfänden es viele kitschig oder gar kindisch, aber ich empfinde eine tiefe Faszination für Wale und Delfine, die ich kaum beschreiben kann. Sie berühren mich auf eine Weise, wie nichts anderes sonst. Sie sind uns Menschen so ähnlich, nur mit dem Unterschied, dass sie uns durch ihre Möglichkeiten hoffnungslos unterlegen sind. In meinem Beruf darf ich mich täglich mit den faszinierenden Erkenntnissen und Themen rund um diese Tiere beschäftigen. Ich lerne spannende Persönlichkeiten kennen, ebenso darf ich über Interviews oder auf Konferenzen ganz vielen Menschen davon erzählen, warum wir diese Tiere und ihren Lebensraum besser beschützen müssen. Mein Job ist wahnsinnig vielseitig, motiviert mich, zieht mich manchmal auch ganz schön runter. Mein Leben nicht nur der Jagd nach Geld und der persönlichen Bereicherung zu widmen, sondern zu versuchen irgendwie noch diesen Planeten zu retten, gibt mir ein Gefühl der Bedeutsamkeit und Sinnhaftigkeit. Das ist vermutlich das größte Geschenk, was mein momentaner Beruf mir beschert.
Gab es für dich noch Alternativen zu deinem Praktikum bei WDC?
Wäre es nicht das Praktikum bei WDC geworden, dann hätte ich mich noch bei anderen NGOs umgeschaut. Hätte auch das nicht geklappt, dann wäre ich vermutlich in Teilzeit in einen ähnlichen Job wie zuvor gegangen und hätte begonnen mich ehrenamtlich in den Umweltschutzbereich einzubringen. So hätte ich hoffentlich ebenfalls mehr über die verschiedenen Tätigkeiten und Job-Rollen in dieser Branche erfahren können um für mich herauszufinden, ob es in diesem Bereich einen Platz für mich gibt.
Was würdest du jemandem raten, der in einer ähnlichen Situation steckt wie du damals?
Don´t overthink it! Einfach mal machen. Sich trauen. Raus aus der Komfortzone – denn die ist der größte Feind von freien Entscheidungen! Natürlich sollte man sicherstellen, dass man wirtschaftlich und auch sonst halbwegs stabil sitzt, sich durch spontane Entscheidungen nicht in Schwierigkeiten bringt. Aber das Leben ist zu kurz und zu einmalig, um es im Hamsterrad abzustrampeln. Es ist vielleicht nicht immer einfach, aber es gibt definitiv viele Möglichkeiten, wenn man nur genau hinschaut und wenn man bereit ist, gewisse Opfer zu bringen, Risiken einzugehen und die Dinge in die Hand zu nehmen.
Niemand wird an unserer Tür klingeln und uns unseren Traum-Job vorbeibringen. Den müssen wir uns schon selbst holen und das bedarf Mut und Tatkraft. Aber auch den Glauben an sich selbst und daran, dass am Ende schon alles so kommen wird, wie es soll. Vielleicht hat man durch Frustration und Misserfolge in vorherigen Jobs Zweifel an den eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen entwickelt. Dass wir einfach nur an der falschen Stelle sind, an der unsere Potenziale sich nicht richtig entfalten und entsprechend nicht sonderlich wertgeschätzt werden, kommt einem meist nicht in den Sinn.
Deshalb war es mir wichtig, im Zweifel auf mein Bauchgefühl zu hören. Wenn ihr euren Werten treu bleibt und das tut, indem ihr gut seid, dann werdet ihr erfolgreich sein.
Wo siehst du dich in 5 oder 10 Jahren?
Idealerweise bin ich zu einer richtigen Expertin in Bezug auf Meeresschutz, Wal- & Delfin- sowie Umweltschutz-Themen geworden. Ich arbeite international eng mit anderen NGOs, Umweltschützer:innen und Wissenschaftler:innen aber auch Politk-Vertrer:innen zusammen, die meine Meinung schätzen. Wir haben bis dahin hoffentlich alle verstanden, dass unser Konsumverhalten und die Zerstörung unseres Planeten so nicht weitergehen kann und das Ruder rumgerissen. In eine nachhaltigere Zukunft, in der alle Lebewesen sicher und in Frieden koexistieren können und die auch noch für kommende Generationen ein lebenswertes Leben bereithält.
Wie können wir zu diesem lebenswerten Leben beitragen und einen Beitrag zum Schutz der Meere/Wale leisten?
Jeden Tag trägt jede:r von uns bewusst oder unbewusst zum Schutz oder zur Zerstörung unserer Umwelt und dessen Bewohnern bei. Wale sind für viele Menschen Tiere, zu denen es keinen wirklichen Bezug gibt. Die wenigsten wissen etwas über sie, kaum jemand hat schon mal einen Wal gesehen. Daher an aller erster Stelle: informiert euch über Meeresschutz, über Umweltschutz und wie alles zusammenhängt. Es gibt so viele einfache kleine Dinge, die man tun kann und die in Summe einen großen Unterschied machen können. Sei es umweltfreundliche Kosmetik, biologisch abbaubares Reinigungsmittel, weniger Plastik oder Bio-Obst und Gemüse. All diese kleinen Kaufentscheidngen tragen bereits dazu bei, dass der Ozean und damit auch der Lebensraum der Wale nicht weiter vergiftet wird. Offensichtliche und einfache Entscheidungen FÜR den Schutz von Walen und Delfinen sind der Boykott von Aquarien, Delfinshows oder ähnlichen Angeboten auf Kosten dieser Tiere. Den allem Anschein zum Trotz: die Tiere leiden wahnsinnig. Essen solltet ihr sie natürlich auch nicht! Apropos essen: auch unser Fischkonsum spielt eine bedeutende Rolle für das Leben von Walen und Delfinen. Nicht zuletzt, weil in den Netzen weltweit tausende Meerssäuger auf Qualvolle Art und Weise verenden. Schleppnetze hinterlassen eine Schneise der Verwüstung und zerstören ganze Ökosysteme.
Last but not least: das Klima schützen! Denn der Ozean und seine Bewohner sind massiv vom Klimawandel betroffen und spielen gleichzeitig eine zentrale Rolle im Kampf gegen ihn. Das Meer ist unsere blaue Lunge! Warum Wale wichtige Klimaschützer sind erfährst du übrigens hier!
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