Knapp jede vierte Frau ist seit der Pandemie unzufrieden mit ihrer Arbeitssituation. Und auch die Männer wünschen sich mehr Flexibilität und Möglichkeiten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Was können Unternehmen tun, um jetzt familienfreundlicher zu werden und ArbeitnehmerInnen damit stärker zu binden oder sogar auf diesem Weg BewerberInnen anzuziehen?
1. Mehr Homeoffice und Flexibilität
Die Pandemie scheint in den Hintergrund zu rücken und viele ArbeitgeberInnen wünschen sich nun ihre ArbeitnehmerInnen zurück im Büro. Klar, das hat Vorteile: Persönlicher Kontakt ist wichtig und für die Unternehmenskultur ist ein Zusammensein essenziell. Doch werden häufig Interessen von Familien und Eltern außer Acht gelassen. Viele Familien haben sich während der Pandemie daran gewöhnt ihren Alltag so umzustellen, dass eine Kinderbetreuung, ein persönliches Leben und der Job vereinbar sind. Und das ist auch gut so! Wer jetzt gerade gedacht hat "Na dann müssen sie sich halt wieder umgewöhnen", der hat wohl selbst noch nicht in dieser Situation gesteckt.
In Zeiten von immer wieder geschlossenen Kitas und Schulen ist es für Eltern eine Horrorvorstellung nun wieder zurück ins Büro zu müssen. Allein der Wegfall weiter Fahrtwege zum Arbeitsplatz schuf mehr zeitliche Flexibilität und dies sollte nun auch weiterhin möglich sein, wenn wir MitarbeiterInnen halten wollen.
Einige Unternehmen haben dies erkannt, bieten noch flexiblere Arbeitszeiten und volles Arbeiten aus dem Homeoffice an. Falls ihr Eure MitarbeiterInnen nicht an diese Unternehmen verlieren wollt, dann wäre dies ein Hebel ihre Zufriedenheit zu steigern. Außerdem sind MitarbeiterInnen nachweislich motivierter und erfolgreicher, wenn sie stressfreier und glücklich arbeiten können.
2. Teilzeit und Jobsharing
Da plant der Fachbereich wieder eine Position neu zu besetzen und im Briefing wird schnell klar: „Also hier brauchen wir auf jeden Fall eine Vollzeit Kraft, als „Teilzeit-Mutti“ ist das nicht machbar“. Willkommen in den 50er Jahren möchte man da rausbrüllen.
Warum eigentlich nicht? Warum können wir hier nicht beispielsweise zwei Personen einstellen, die sich diese Position teilen? Weil es unbequemer und anstrengender ist? In der Einarbeitung, in der Betreuung, in der Auswahl?
Naja, vom auf dem Sofa sitzen ist selten jemand einen Marathon gelaufen. Dafür müssen wir schon etwas tun und genauso ist es doch auch mit dieser Veränderung. Wie schön wäre es, wenn wir in unserem Employer Branding eine solche Erfolgsstory erzählen könnten? Zwei MitarbeiterInnen, die sich die Führungsposition teilen - beides Eltern, die zu gleichermaßen 50:50 das Team führen und als Führungskräfte in 2022 eine moderne Arbeitswelt verkörpern. „Träum weiter", hat letztens eine Freundin zu mir gesagt. „Das sind Einzelfälle, wird aber in der Breite nicht umsetzbar sein." Und irgendwie fühlte es sich bitter für mich an, denn etwas in mir dachte, sie hat recht.
Dabei gibt es doch bereits Unternehmen, die mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass dieses Modell funktioniert. Nehmen wir zum Beispiel CHAN von Unilever. CHAN steht für Christiane Haasis und Angela Nelissen. Gemeinsam teilen sie sich seit bereits zehn Jahren im Job-Share die Stelle des Vice President Refreshment. Oder die Deutsche Bahn: Hier teilen sich Anna Schak und Julia Staudt die Leitung des Bereichs Training, Learning und Consulting.
Es scheint also zu funktionierten. Worauf warten wir noch?
3. Schwangerschaft als Karrierekiller?
Die Karriere hatte sie fest geplant, nachdem sie viele Jahre im Unternehmen tätig war und nun zum Senior befördert wurde, sollte es bald eine Entwicklung in eine Führungsposition geben. Die Führungskraft hatte bereits zugesagt und die nächste Teamleitungsposition sollte ihr vorbehalten sein. Doch dann wird die Kollegin schwanger und nach 1-2 Jahren Mutterschutz und Elternzeit kehrt sie zurück und keiner kann sich daran erinnern, dass es mal den Plan gab sie in eine Führungsposition zu entwickeln. Von einer gehaltlichen Entwicklung in der Zeit mal ganz zu schweigen. Die gab es nämlich nicht und die nächste Gehaltsrunde wäre auch erst in 11 Monate. Pech gehabt. Solche Situationen erleben Frauen, die schwanger werden leider viel zu oft. In meinem Umfeld habe ich schon häufiger Frauen sagen hören: „Ich liebe mein Kind, aber es war mein Karrierekiller“ oder „Hätte ich kein Kind bekommen, würde ich jetzt 10.000 Euro mehr verdienen und wäre wahrscheinlich befördert worden“.
Viele Unternehmen schreiben sich im Employer Branding auf die Fahne familientauglich zu sein und Chancengleichheit zu bieten. Aber wird dies auch im Management und in der Führung gelebt? Am Ende sind es nämlich doch leider nicht die schönen Employer Branding Kampagnen, die den Unterschied machen, sondern die Entscheidungen der Führungskräfte, die in den konkreten Situationen entscheiden, ob sie zum Beispiel eine Mitarbeiterin befördern, obwohl sie schwanger ist und nun länger nicht da sein wird oder eben nicht. Es fängt also bei der Haltung jeder einzelnen Führungskraft und jedes Mitarbeiters an. Wie ist Deine dazu?
4. Equal-Pay
Es fängt bereits in der Kindheit an. Studien haben ergeben, dass junge Mädchen bereits im Kindesalter besser für sich verhandeln, wenn ihr Gesprächspartner weiblich ist. Jungen hingegen haben für sich sowohl gegenüber Frauen, als auch Männern besser verhandelt und konnten insgesamt mehr für sich rausholen, als die Mädchen.
Fazit: In einer Welt, die von Männern dominiert ist und Mädchen bereits im frühen Kindesalter so sozialisiert werden, dass sie gegenüber Männern weniger für sich aushandeln; wie soll dabei eine Chancengleichheit möglich sein?
Das statistische Bundesamt hat herausgefunden, dass Frauen pro Stunde 18 % weniger verdienen als Männer. In Positionen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien verdienen Frauen pro Stunde 6 % weniger. Aber wie kann das sein?
Frauen arbeiten demnach öfter in Branchen und berufen, die eher schlechter bezahlt werden. Sie sind außerdem viel seltener in Führungspositionen. Und was können wir tun?
Gehaltstransparenz: In Dänemark beispielsweise gibt es seit 2006 ein Gesetz zur Gehaltstransparenz. Dort müssen Firmen ab einer gewissen Größe Informationen zu Gehältern aufgeteilt nach Geschlechtern führen und offenlegen. In Deutschland muss dafür von der ggf. benachteiligten Person erst ein Antrag beim Unternehmen gestellt werden. Nennt sich „Gehaltstransparenzgesetz“ und ist sehr schwammig.
Aber zurück nach Dänemark: Durch die Offenlegung von Gehältern steigen Gehälter von Frauen automatisch. Studien haben gezeigt, dass die Gender Pay Gap, in Firmen die Gehaltstransparenz praktizierten, um 7 % zurück ging. Frauen wurden durch die Gehaltstransparenz öfter eingestellt und auch befördert, worin hingegen die Gehälter von Männern langsamer stiegen.
Es gibt also noch viel zu tun. Wo familienfreundlich drauf steht, sollte dies auch wirklich drin sein. Und indem wir uns diese Dinge bewusst machen, haben wir schon den ersten Schritt in Richtung Veränderung getan.
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